Rektusdiastase – mehr als nur eine Lücke in der Mitte
- Hoch2wei
- vor 5 Tagen
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Wenn der Bauch nach der Schwangerschaft nicht mehr so recht „zurückfinden“ will oder bei Belastung eine wulstige Vorwölbung sichtbar wird, ist schnell der Verdacht da: Rektusdiastase. Doch was steckt eigentlich genau dahinter – und warum betrifft das Thema weit mehr Menschen als nur frischgebackene Mütter?
Was ist eine Rektusdiastase?
Die Rektusdiastase beschreibt eine übermäßige Weitung der Linea alba – also der Bindegewebsplatte, die unsere beiden geraden Bauchmuskeln (Musculus rectus abdominis) in der Mitte verbindet. Während der Schwangerschaft ist eine gewisse Dehnung der Linea alba völlig normal und physiologisch sinnvoll, damit Platz für das wachsende Kind entsteht. Bleibt diese Weitung jedoch bestehen oder ist das Gewebe in seiner Funktion geschwächt, kann sich das in unterschiedlichsten Symptomen äußern.
Wichtig zu wissen: Es geht nicht nur um die Breite der Lücke – sondern vor allem um die Stabilität des Gewebes in Bewegung.
Symptome einer Rektusdiastase
Die Beschwerden sind häufig unspezifisch – was eine Diagnose erschwert. Typische Symptome sind:
Eine sichtbare Vorwölbung entlang der Mittellinie beim Aufrichten oder Husten
Ein "instabiles" Bauchgefühl, besonders beim Tragen oder Heben
Rückenschmerzen, insbesondere im Lendenbereich
Beckenbodenprobleme (z. B. Inkontinenz)
Verdauungsprobleme oder ein Gefühl der inneren „Leere“ im Bauch
Viele Betroffene sind überrascht, wenn sie erfahren, dass diese Beschwerden mit einer Rektusdiastase zusammenhängen können.
Nicht nur ein Frauenthema – und nicht nur nach der Geburt
Zwar tritt die Rektusdiastase besonders häufig in der Zeit nach einer Schwangerschaft auf – doch sie ist keineswegs auf Frauen beschränkt. Auch Männer, Sportler:innen, Menschen mit Übergewicht oder Personen mit chronischem Husten oder falschem Bauchmuskeltraining können betroffen sein. Entscheidend ist nicht nur die Lücke – sondern, wie der Körper mit Druck und Belastung umgeht.
Die Funktion zählt – nicht nur die Optik
Ein häufiger Fehler in der Behandlung ist der reine Fokus auf das „Schließen“ der Lücke. Doch Studien zeigen: Entscheidend für die Rumpfstabilität ist nicht allein die Breite der Diastase, sondern die Spannungsübertragung über die Linea alba hinweg. In einer Untersuchung von Lee & Hodges (2016) wurde gezeigt, dass die Funktionalität der Linea alba ein besserer Indikator für die Rumpfstabilität ist als die Lückenbreite.
Ultraschall als Gamechanger im Check-up
Mit einem dynamischen Ultraschall-Check-up lässt sich die Funktion der tiefen Bauchmuskulatur – insbesondere des Musculus transversus abdominis – sowie der Spannungszustand der Linea alba präzise beurteilen. Dabei wird nicht nur im Liegen gemessen, sondern auch unter gezielter muskulärer Aktivierung.
Das Besondere: Die Aktivierung kann direkt im Termin geübt und visuell überprüft werden. So sehen Betroffene in Echtzeit, wie sich die Spannung auf die Linea alba verändert – das schafft nicht nur Verständnis, sondern auch Motivation.
Prävention beginnt vor der Geburt
Die gute Nachricht: Schon in der Schwangerschaft lässt sich viel tun. Durch gezielte Übungen zur tiefen Bauchmuskulatur und ein besseres Körperbewusstsein kann die Funktion der Linea alba unterstützt werden. Studien belegen, dass ein präventives Training den Verlauf der Rektusdiastase positiv beeinflussen kann (Hilde et al., 2016). Dabei geht es nicht um klassisches Bauchmuskeltraining, sondern um die bewusste, koordinierte Aktivierung der tiefen Rumpfmuskeln.
Fazit: Wissen ist Kraft – im wahrsten Sinne
Die Rektusdiastase ist kein kosmetisches Problem – sondern ein funktionelles. Und sie ist behandelbar. Mit moderner Diagnostik, gezieltem Training und individuellem Coaching lässt sich Stabilität zurückgewinnen. Wichtig ist, nicht nur „nach Gefühl“ zu trainieren, sondern mit fundiertem Know-how und – wenn möglich – professioneller Begleitung.
Denn der Weg zur Körpermitte führt über die Verbindung – nicht über die Lücke.
Quellen & Studien:
Lee, D., & Hodges, P. W. (2016). Behavior of the linea alba during a curl-up task in diastasis rectus abdominis. Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy, 46(7), 580–589.
Hilde, G., et al. (2016). Pelvic floor muscle training during pregnancy to prevent and treat urinary incontinence: A systematic review and meta-analysis. British Journal of Sports Medicine, 50(12), 712–719.